Ein ganz normaler Tag
Es ist doch erstaunlich, wie sehr man durch seine Schulzeit geprägt wird. Noch 30 Jahre nach meinem letzten Schultag werde ich im Alltag oft mit den Lehrernamen aus der Oberstufe konfrontiert. Zum Beispiel neulich:
Ich werde wie jeden Morgen durch meinen schrillen Wecker geweckt und will gerade aufstehen. "Aaah", da fährt es mir wie mit einem Eispickel durch die Schläfe. Ich hatte meinen Rusch von letzter Nacht doch noch nicht ganz ausgeschlafen. "Mein Gott! Der Montag ist aber auch immer der schlimmste Tag!" Nun ja, da half nichts, ich musste wohl in diesen sauren Apel beissen und zur Arbeit gehen. Als erstes wollte ich diesen Brandt löschen. Ich ging also in die Küche, an den Kühlschrank und trank ein Glas Möller-Milch, "au, diese Schmerzen"! Da besann ich mich auf ein altes Hausmittel. Ein kleiner Morgenspaziergang soll gegen Kater schon Wunder gewirkt haben. Ich streifte mir mein Jäkelein über, und ging geraden Wegs, an der alten Mühle vorbei in den Wald unweit meines Häuschens. Der Möller hatte im letzten Winter ganz schön zu leiden gehabt, da der gesamte Fluss zugefroren war. Hier im Wald wurde mir schon bald besser, als die warme Sommerluft in mir aufstieg. Beruhigend tat der Gesang der Vögel sein übriges dazu, denn im Gegensatz zur Stadt, wo ich immer nur den Sperling krächzen höre, vernahm ich nun Amling, Drossel, Sittig und Star lieblich singend. Nur das Hämmern des Spechts erinnerte mich wieder daran, warum ich eigentlich in den Wald gegangen war. Da lag mir doch auf einmal ein Stöcklein im Weg. Ich hob es auf und warf es weg, knapp am Denzinkanister vorbei, der die ganze Kister in Brandel hätte versetzen können. Als mir plötzlich ein Eichhornchen über den Weg lief, wurde mir bewusst, dass ich mich doch noch für die Arbeit zurecht machen musste. Deshalb trat ich nun den Rückweg an. Auf einer Wiese, an der ich vorbeischlenderte, sah ich ein seltsames Tier stehen, und die Kuh schrie "horz". Diese Kuh bot mir trotzdem keinen Anlass stehenzubleiben, und ich ging über Berger und Täler zurück in mein trautes Heim. Dort angekommen, schaute ich zuerst in den Spiegel und stellte fest, daß ich heute wieder verdammt Hädrich...ähh..hässlich aussah. Nachdem ich die schlimmsten Blessuren beseitigt hatte, fuhr ich zur Arbeit. Als ich dort ankam, wurde ich natürlich gleich zum Chef gerufen, da ich mich um ein Stündchen verspätet hatte. Und in seinem Zimmer spürte ich schon wieder dieses Chefflair (Scheffler), er stand wie ein kleiner Sieboldt auf dem Tisch und regte sich lautstark über meine Verspätung auf. Vor Angst wurde ich kreide-Weiß im Gesicht und ging in die Hocke, wie einst das tapfere Schneiderlein, um ihm gleich meine Unterwürfigkeit zu zeigen, denn er war so Stuhr. "Jetzt ist Scholz mit Ihren Ausreden", brüllte er, "mir reicht's! Sie sind entlassen!" Ich tatter-muschte wie Espenlaub und hatte überhaupt keine Chance, mich zu rechtfertigen, mit dem, was vorgefallen war.
Nun gut, ich musste mich wohl damit abfinden, dass ich mein Geld nun anders verdienen musste. Vielleicht hilft mir ja ein Los von Günther. Um das Vorgefallene zu verarbeiten, beschloss ich, den Weg nach Hause zu Fuss anzutreten. Der Weg wurde zwar immer Langer, doch kam ich in der Stadt an einer Büttner vorbei, in der eine vertraute Stimme eine Rede schwang. Ich trat näher heran und konnte meinen Augen kaum trauen. Das war doch mein alter Freund Otto, Otto Linger. Eigentlich hiess er Thomas, aber diesen Namen konnte er nicht ausstehen, und benannte sich kurzerhand nach dem ostfriesischen Komiker. Zwar stand er nicht das erste Mal in der Büttner, doch er hatte seine Zeit als redefreudiger Voigt eigentlich schon hinter sich. Ich hatte Schier Bock auf ein Gespräch mit ihm, und vielleicht wusste er eine neue Anstellung für mich, wo er doch so viele Laute kannte. Da...aber...konnte er mir doch nicht weiterhelfen.
So deprimiert wollte ich nichts anderes, als schnell nach Hause zu kommen. Aber es standen keine Busse mehr an der Haltestelle, und so war ich gezwungen, mein letztes Geld für die Fahrt im Taxi auszugeben.
Zu Hause angekommen, öffnete ich nichtsahnend die Tür, wobei mir eine Fahne Knobloch ins Gesicht schlug, denn das Essen stand wie immer schon auf dem Tischer. Meine Frau war ja ein so guter Koch, und nicht nur das ...
Es gab nur das Eine, was mir diesen Tag noch ein wenig hätte versüssen können. (Einwurf M. Bock: "Ballermann 6"). Aber scheinbar steckten mir meine Probleme noch tiefer in den Knochen, als ich vermutete, denn er wurde einfach nicht Hartl.
Meine Frau forderte mich erneut auf: "Los! Macholdt dein Hengst leer!!"
Und da wurde es mir plötzlich Hellige vor den Augen. Bei mir Rebelte sich etwas, bis er stand, wie ein stolzer Römer. Dass es, so wie es Frau Schubert lehrte, so schön sein konnte. Letztendlich fühlte ich mich doch noch wie "heute ein König".
Und so kann man sagen, daß mir an diesem Tag alle Lehrernamen begegnet sind, und mir in guter oder in manchen Fällen auch in noch besserer Erinnerung bleiben werden.